Check: Kontrast zwischen Serie und Realität in Krankenhausserien
Krankenhausserien bieten oft ein fesselndes und dramatisches Bild des medizinischen Alltags, doch wie nah sind sie wirklich an der Realität? Im Folgenden werfen wir einen Blick auf verschiedene Aspekte, von der medizinischen Genauigkeit über die Darstellung von Arbeitsbedingungen hin zu romantischen Verstrickungen am Arbeitsplatz.
Medizinische Genauigkeit
Um eine gewisse Authentizität zu gewährleisten, arbeiten Serienproduktionen in der Regel mit medizinischen Berater:innen zusammen. Diese sorgen unter anderem dafür, dass die Drehbücher stimmig sind, die Schauspieler und Schauspielerinnen die Instrumente richtig halten und die Requisiten stimmen.
Eine Serie mit besonderer Detailversessenheit ist „Emergency Room“. Nebenrollen wurden teils mit medizinischem Personal besetzt und die Drehbüchern strotzen vor medizinischen Detailanweisungen.
Auf dramaturgische Feinheiten verzichtet „Ermergency Room“ dennoch nicht. Schließlich handelt es sich immer noch um eine Unterhaltungssendung. Auch medizinische Laien sollen der Handlung problemlos folgen können.
So kam eine Studie aus dem Jahr 2017, die die Darstellung von Traumpatient:innen in Greys Anatomie untersuchte, zu folgendem Ergebnis:
- TV-Patient:innen hatten eine höhere Sterblichkeitsrate (22 % im TV vs. 7 % in der Realität).
- Die meisten TV-Patient:innen wurden direkt vom Notfallraum in den Operationssaal gebracht (71 % im TV vs. 25 % in der Realität).
- Unter den Überlebenden wurden nur wenige in Langzeitpflegeeinrichtungen verlegt (6 % im TV vs. 22 % in der Realität).
- Die durchschnittliche Krankenhausverweildauer bei schwer verletzten Überlebenden war im Fernsehen deutlich kürzer als in der Realität
Hinzu kommt: Auch wenn die meisten Episoden höchst dramatisch sind, wird am Ende in der Regel alles gut.
Arbeitsbedingungen in Serien-Krankenhäusern
Überlastung, Übermüdung und Personalmangel – all dies hat in der „Schwarzwaldklinik“ keinen Platz. Hier sind die fast ausschließlich männlichen Ärzte Halbgötter in Weiß und werden von den strengen Oberschwestern angehimmelt.
Zugegeben ist die „Schwarzwaldklinik“ (Produktion in den 1980-ern) schon etwas in die Jahre gekommen. Aber aktuellen Serien zeigen ebenso oft ein idealisiertes Bild. Vor allem in deutschen Serien wie „In aller Freundschaft“, in der Doktor Heilmann erstaunlich viel Zeit für seine Patient:innen hat, wird eine Heile (Krankenhaus-) Welt gezeigt. Die tatsächlichen Sorgen von Pflegenden – abseits von Romanzen am Arbeitsplatz – sind nur selten Teil der Handlung.
Aber es gibt auch Ausnahmen. So spielt die Serie „Code Black“ in der überfüllten und völlig unterfinanzierten Notaufnahme des fiktiven Angels Memorial Hospital in Los Angeles. Auch die britische Serie „This is going to hurt“ ist als Kritik am britischen Gesundheitssystem zu verstehen. Die Serie mit Ben Whishaw in der Hauptrolle des Adam beleuchtet den brutalen Alltag eines Assistenzarztes in der Geburtshilfe eines Londoner Krankenhauses. Hier stehen lange Schichten und emotionale sowie körperliche Belastungen an der Tagesordnung.
Eine Studie (2016) speziell zur Serie Greys Anatomie zeigt zudem ein weiteres Problem: Whitening. Die Serie tut so, als ob es keine Rassenunterschiede gäbe und Rassismus kein Problem wäre. Dies entspricht nicht dem Krankenhausalltag, indem Pflegekräfte und Ärzt:innen mit Migrationshintergrund schlechtere Aufstiegschancen haben und sowohl Mitarbeitende als auch Patient:innen rassistische Bemerkungen widerfahren.
Romanzen am Arbeitsplatz
Ohne Intrigen, Eifersüchteleien und erotischen Treffen im Bereitschaftsraum scheint es nicht zu gehen. Romanzen im Krankenhaus – sei es zwischen Angestellten oder mit Patient:innen – machen einen großen Teil der Handlung aus. Allzu oft wird hier gründlich in die Klischeekiste gegriffen. So ist es in den allermeisten Fällen so, dass sich die junge, weibliche Pflegekraft (oder die Assistenzärztin) in den attraktiven Oberarzt verliebt.
Ausnahme: In der Serie Scrubs haben der Krankenpfleger Paul und die Ärztin Elliot eine kurze Liaison. Als Elliot mitbekommt, dass Paul ein Pfleger und kein – wie sie dachte – Arzt ist, versuchte sie die frische Beziehung zu verstecken, weil es ihr peinlich ist, mit einer Pflegekraft zusammen zu sein.
In der Serie Greys Anatomie verliebt sich die junge Ärztin Izzy in Denny Duquette, der dringend eine Herztransplantation benötigt. Um ihn zu retten, besorgt sie sogar ihn auf illegale Weise ein Spenderherz. In der Realität sind Beziehungen zwischen Ärzt:innen oder Pflegekräften mit Patient:innen ein absolutes Tabu und können sogar strafrechtliche Folgen haben (§ 174c).
Darstellung von Ärztinnen und Ärzten
Der grauhaarige, männliche und durchaus attraktive Arzt als Halbgott in weiß – ein Klischee, welches besonders in älteren Serien wie „Schwarzwaldklinik“ und „Nikola“ bedient wird.
Hinzu kommt, dass die zumeist männlichen Serienärzte nicht als Spezialisten, sondern als medizinische Alleskönner unterwegs sind. Im Fernsehen hat das Ärzteteam zudem immer eine neue, revolutionäre Behandlungen bereit, die in Wirklichkeit strengen Tests und Regulierungen unterliegen.
Unrealistisch ist auch, dass sich die Ärzteschaft in den Serien extrem viel Zeit für Patient:innen nimmt, um Behandlungen zu besprechen, Blut abzunehmen oder gar private Sorgen anzuhören – Zeit, die Ärzte und Ärztinnen im normalen Krankenhausalltag kaum haben.
Darstellung von Pflegekräften
In Krankenhausserien wie Ermergency Room, New Amsterdam oder Greys Anatomie sind Pflegekräfte oft Nebenfiguren. Sie werden weniger fachlich detailliert dargestellt. Oft übernehmen Ärzt:innen ihre Aufgaben.
Im Gegensatz zu den männlichen TV-Ärzten sind Pflegekräfte in der Regel weiblich. In der Serie Scrubs wird die Pflegekraft Paul wegen seines vermeintlichen Frauenjobs oft belächelt. In vielen deutschen Produktionen wird zudem die ältere Bezeichnung Krankenschwester verwendet.
Ein zweischneidiges Schwert: Auswirkungen auf die öffentliche Wahrnehmung
In Krankenhausserien werden medizinische Realitäten oft dramatisiert. Dies kann zur Verbreitung von Fehlinformationen führen. Zum Beispiel zeigen Serien wie „Grey’s Anatomy“ häufig dramatische Operationen. Diese sind in Wirklichkeit viel seltener und weniger theatralisch.
Zudem vereinfachen Serien komplexe medizinische Prozesse stark, um die Handlung zu beschleunigen. Dies kann zu einem falschen Verständnis von medizinischen Abläufen führen, besonders hinsichtlich der benötigten Zeit für Diagnosen und Behandlungen. In Serien wie „Dr. House“ wird der Diagnoseprozess oft so dargestellt, als würde ein genialer Arzt komplexe Fälle im Alleingang lösen. Tatsächlich ist die Diagnosestellung jedoch ein Teamprozess, der intensiven Austausch erfordert.
All dies kann zu unrealistischen Erwartungen bei den Zuschauenden führen. Sie könnten zum Beispiel erwarten, dass Ärzte und Ärztinnen sofort wissen, was ihnen fehlt, oder dass komplexe Probleme innerhalb eines einzigen Krankenhausbesuchs vollständig diagnostiziert und behandelt werden können. Dies kann zu Frustrationen führen, wenn Patient:innen die tatsächlichen Abläufe und Zeitrahmen in medizinischen Einrichtungen erleben.
Zusätzlich verbreiten Krankenhausserien oftmals Fehlinformationen über die richtige Vorgehensweise bei medizinischen Notfällen. Ein Beispiel hierfür sind epileptische Anfälle. In Serien werden Betroffene während eines Anfalls oft festgehalten. Diese Darstellung ist nicht nur falsch, sondern auch gefährlich. In Wirklichkeit kann das Festhalten eines Menschen während eines epileptischen Anfalls zusätzlichen Stress für die betroffene Person verursachen und zu ernsthaften Verletzungen führen. Die Fehlinformationen in den Serien können dazu führen, dass ungeschulte Zuschauer:innen in realen Situationen falsch handeln.
Einfluss auf Karriereentscheidungen
Die Art und Weise, wie Pflegekräfte in Krankenhausserien dargestellt werden, kann die Entscheidung junger Menschen für den Pflegeberuf maßgeblich beeinflussen. Häufig werden Pflegekräfte in Serien nicht adäquat dargestellt, was dazu führen kann, dass das Berufsbild negativ oder als weniger attraktiv wahrgenommen wird.
In der realen Krankenhauswelt kommen auf einen Stationsarzt in der Regel mehrere, oft bis zu 15 Pflegekräfte, die den größten Teil der direkten Patientenversorgung übernehmen. In den Serien sind es dagegen fast immer die Ärzt:innen, die an die Betten der Patienten gehen und die zentralen medizinischen Maßnahmen durchführen. Dies führt zu einem verzerrten Bild der tatsächlichen Verantwortlichkeiten und der Professionalität der Pflege.
Im schlimmsten Falle kann eine solche ungenaue Darstellung junge Zuschauende davon abhalten kann, eine Karriere in diesem wichtigen und anspruchsvollen Bereich in Betracht zu ziehen.
Fazit: Ein Aufruf für mehr Authentizität
Krankenhausserien haben die Verantwortung und die Macht, die Realität des medizinischen Alltags korrekt darzustellen. Sie sollten daher mehr Wert auf ein authentisches Bild aller medizinischen Berufsgruppen legen, insbesondere der Pflegekräfte. Dies würde nicht nur zu einem besseren Verständnis und Respekt gegenüber den Pflegeberufen führen, sondern auch eine realistischere Vorstellung von medizinischen Behandlungen vermitteln.
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