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Überlastungsanzeige in der Pflege – So geht's

Die Arbeit in der Pflege geht oft mit erheblicher psychischer und physischer Belastung einher. In der Folge kommt es häufig zu einem erhöhten Krankenstand, der zu einer weiteren Belastung des verbleibenden Personals führt. Dadurch kann eine adäquate Versorgung der Patientinnen und Patienten gefährdet sein. 

 

Wenn du dich in einer solchen Situation befindest und die Qualität deiner Pflegearbeit gefährdet siehst, ist es ratsam, dies deinem Arbeitgeber mit einer Überlastungsanzeige deutlich zu machen. Auf diese Weise schützt du nicht nur dich und dein Team im Haftungsfall, sondern auch die Menschen, die auf eine gute pflegerische Versorgung angewiesen sind.

 

In diesem Artikel erfährst du, was du dabei beachten musst und findest auch eine Vorlage, die du für eine Überlastungsanzeige verwenden kannst.

Inhaltsverzeichnis

    Was ist eine Überlastungsanzeige?

    Eine Überlastungs- oder Gefährdungsanzeige in der Pflege ist ein wichtiger Schritt, wenn die aktuellen Arbeitsbedingungen außergewöhnlich belastend sind und ein potenzielles Risiko für sich selbst oder andere darstellen könnten (Jukip). 

    Sie signalisiert dem Arbeitgeber, dass die aktuellen Arbeitsbedingungen dazu führen, dass Qualitätsstandards nicht eingehalten werden können und Mitarbeitende einer dauerhaften Belastung ausgesetzt sind. Dies kann z. B. durch chronische Unterbesetzung aufgrund von Krankheitsfällen oder Personalmangel der Fall sein. 

    Nach § 15 und § 16 des Arbeitsschutzgesetzes sind Pflegekräfte sogar gesetzlich verpflichtet, „für ihre Sicherheit und Gesundheit“ sowie „für die Sicherheit und Gesundheit der Personen zu sorgen, die von ihren Handlungen oder Unterlassungen bei der Arbeit betroffen sind“ und „dem Arbeitgeber oder dem zuständigen Vorgesetzten jede […] festgestellte unmittelbare erhebliche Gefahr für die Sicherheit und Gesundheit […] unverzüglich zu melden.“

    Neuer Call-to-Action

    Die Überlastungsanzeige ist ein rechtliches und gesundheitliches Sicherheitsnetz. Sie schützt dich, wenn durch die Überlastung Fehler passieren, Pflegebedürftige nicht ausreichend versorgt werden können oder du selbst durch die Belastung gesundheitliche Probleme bekommst.

    Sollte dein Arbeitgeber in der Folge Abmahnungen oder Kündigungen ins Spiel bringen, kannst du dich darauf berufen, dass du die Umstände, die dazu geführt haben, in deiner Überlastungsanzeige gemeldet hast.

    Warum Überlastungsanzeigen immer häufiger werden

    Es ist nicht verwunderlich, dass Überlastungsanzeigen in der Pflege zunehmen (Ernst, M. (2018). Ausweg Gefährdungsanzeige. Heilberufe 70, 17–18). Der Krankenstand im Gesundheitswesen erreicht aufgrund der hohen Arbeitsbelastung Rekordwerte (DAK – Deutschen Angestellten-Krankenkasse, 2022).

    Wann sollte ich eine Überlastungsanzeige aufgeben?

    Eine Überlastungsanzeige ist dann angebracht, wenn die Situation über einen längeren Zeitraum anhält und man sich nicht sicher ist, ob man selbst oder das Pflegeteam die Arbeit noch so sorgfältig ausführen kann, wie es für das Wohl der Pflegebedürftigen notwendig ist  (European Journal for Nursing History and Ethics).

    Wer bei sich selbst körperliche oder psychische Überlastungssymptome wie Schlafstörungen oder Rückenschmerzen feststellt, sollte nicht zögern und handeln, bevor es zu spät ist.

    Die Entscheidung, eine Überlastungsanzeige zu erstatten, beruht auf deiner eigenen Einschätzung der Situation. Lass dich nicht von anderen, insbesondere von Vorgesetzten, von diesem wichtigen Schritt abhalten, wenn du glaubst, dass die Situation aufgrund der hohen Belastung gefährlich werden könnte.

     

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    Wer kann eine Überlastungsanzeige erstatten?

    Eine Überlastungsanzeige sollten Pflegekräfte in Erwägung ziehen, die sich aufgrund einer dauerhaften Überlastung überfordert fühlen und ihre Arbeit nicht mehr sorgfältig genug erledigen können.

    Auch Vorgesetzte wie Pflegedienstleitungen, die aufgrund von Personalmangel keine adäquate Dienstplanung vornehmen können, können eine Überlastungsanzeige nutzen.

    Kann man wegen einer Überlastungsanzeige gekündigt werden?

    Nein, das Maßregelungsverbot nach § 612a BGB schützt Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer davor, aufgrund ihrer subjektiven Einschätzung der Gefährdungslage abgemahnt oder gekündigt zu werden. Es kommt allein auf das Empfinden der Arbeitnehmerin bzw. des Arbeitnehmers an. Dies wurde bereits durch ein Gerichtsurteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen bestätigt.

    Im Fall, der 2018 vor dem Landesarbeitsgericht verhandelt wurde, ging es um eine Krankenpflegerin, die nach Personalausfall stationsfremd mit zwei Auszubildenden auf einer allgemein-psychiatrischen Aufnahmestationen eingesetzt wurde. Noch während ihrer Schicht schrieb sie eine Gefährdungsanzeige.

    Der Arbeitgeber reagierte mit einer Abmahnung. Zu Unrecht. Das Gericht erkannte an, dass die Pflegerin im Sinne des Arbeitsschutzgesetzes gehandelt hatte. Der Arbeitgeber musste die Abmahnung aus der Personalakte löschen. 

    Erschöpfte Pflegekraft

    Wie reiche ich eine Überlastungsanzeige ein?

    Eine Überlastungsanzeige ist schriftlich an die/den Vorgesetzte/n zu richten. Es empfiehlt sich, die Anzeige persönlich abzugeben, sie von der/dem Vorgesetzten unterschreiben zu lassen und eine Kopie für sich selbst zu behalten. Alternativ kann sie per Einwurfeinschreiben versandt werden. E-Mails sollten vermieden werden, da sie untergehen können und keine Empfangsbestätigung bieten.

    Es ist ratsam, auch der Personalvertretung eine Kopie zukommen zu lassen, um sicherzustellen, dass die Angelegenheit zur Kenntnis genommen wird.

    Welcher Inhalt gehört in eine Überlastungsanzeige?

    Folgende Punkte gehören in eine Überlastungsanzeige:

    • Ort und Datum
    • Dein Name
    • Station/Arbeitsbereich
    • Genaue Beschreibung der Situation und der Umstände, die zur Überlastung führen: 
      • Zeitraum (z. B. „seit 4 Wochen“)
      • Gründe für die Überlastung, wie z. B. Anzahl der verfügbaren Pflegekräfte pro Pflegebedürftigen und Pflegeaufwand oder andere Belastungsfaktoren (z. B. „Im Durchschnitt waren X Pflegekräfte auf der Station für X Patientinnen/ Patienten zuständig. Pflegekräfte arbeiten in der Folge X Stunden pro Woche.“, „Pausenzeiten können nicht eingehalten werden“ oder „Patientinnen und Patienten können aufgrund von Rückenbeschwerden nicht sachgerecht gelagert werden.“)

      • Dienstliche und persönliche Folgen der Überlastung (z. B. „Die Umstände führen dazu, dass auf Rufe der Patientinnen und Patienten nicht angemessen schnell reagiert werden kann, die Dokumentation nicht vollständig angefertigt werden kann sowie das Personal unter ständiger Übermüdung leidet, die seine Leistungsfähigkeit einschränkt.“)
      • ggf. Anzahl der geleisteten und nicht ausgeglichenen Überstunden
    • ggf. Datum, an dem vorab schon mündlich oder schriftlich auf die Situation hingewiesen wurde
    • Hinweis darauf, dass alles getan wird, um die Pflegestandards einzuhalten, dies aber nicht mehr gewährleistet ist
    • Aufforderung an den Arbeitgeber, Abhilfe zu schaffen und Aufnahme der Anzeige in die Personalakte
    • Unterschrift

      Tipp: Statt von „Überlastungsanzeige“ kannst du von einer „Gefährdungsanzeige“ sprechen. Das macht deutlich, dass es hier nicht um deine individuelle Belastbarkeit oder deine Fähigkeiten geht, sondern um andauernde äußere Umstände, die für dich, andere Mitarbeitende und/oder Patientinnen und Patienten zur Gefahr werden können.

    Vorlage für eine Überlastungsanzeige in der Pflege

    Hier kannst du dir unsere Vorlage als PDF oder Word-Datei als Muster downloaden:

    Muster Überlastungsanzeige in der Pflege

    Vorlage als PDF downloaden

    Vorlage als Word-Datei downloaden

    Was passiert, wenn keine Überlastungsanzeige aufgegeben wird?

    Ohne Überlastungsanzeige musst du aufpassen, dass du trotz Überlastung keine Pflegefehler machst und haftbar gemacht wirst. Die Anzeige schützt dich, da in diesem Fall der Arbeitgeber in erster Linie haftet, sofern du deine Arbeit im Rahmen der Umstände weiterhin gewissenhaft weitergeführt hast.

    Es kann sein, dass sich die Situation nicht verbessert, wenn die Vorgesetzten nicht rechtzeitig darauf aufmerksam gemacht werden, dass sie handeln müssen. Eine Überlastungsanzeige kann auch andere dazu ermutigen, ähnliche Probleme anzusprechen.

    Was sollte ich tun, bevor ich eine Überlastungsanzeige einreiche?

    Bevor du eine Überlastungsanzeige abgibst, ist es ratsam, die Situation mit deinen Vorgesetzten sachlich und konstruktiv zu besprechen. Ermögliche ihnen, frühzeitig Maßnahmen zu ergreifen, um die Situation zu verbessern.

    Wenn du verärgert bist, warte lieber ein paar Tage, bevor du das Gespräch suchst.  Es ist wichtig, die Situation ruhig und sachlich anzusprechen, um Konflikte zu vermeiden.

    Nachdem du die Überlastungsanzeige verfasst hast, lasse sie ein bis zwei Tage liegen, gehe sie dann noch einmal durch und bitte eine Person deines Vertrauens, sie zu lesen. Achte darauf, dass die Anzeige sachlich und ohne Emotionen verfasst ist.

    Neuer Call-to-Action

    Was tun, wenn der oder die Vorgesetzte negativ reagiert?

    Möglicherweise hast du bereits von Kolleg:innen in der Pflege gehört hast, Überlastungsanzeigen seien wirkungslos. Oder du befürchtest, von deinem Arbeitgeber oder sogar von deinem Team dafür bestraft zu werden.

     

    In unserer Pflege-Community berichten immer wieder Pflegende davon, sich verteidigen zu müssen und dass hre Qualifikation für den Pflegeberuf infrage gestellt wird. 

    Denk daran: Eine Überlastungsanzeige ist kein persönlicher Vorwurf an Vorgesetzte und bedeutet nicht, dass du dich gegen deinen Arbeitgeber auflehnst.

    Sie ist vielmehr ein wichtiges Instrument, um deiner Sorgfaltspflicht in einer Überlastungssituation nachzukommen und damit dich und andere, insbesondere Pflegebedürftige, zu schützen. Sie soll deinen Vorgesetzten dabei helfen, eine solche Situation zu erkennen, richtig einzuschätzen und Maßnahmen zu ergreifen.

    Sollte es dennoch zu Spannungen kommen, lass dich davon nicht verunsichern. Bleibe in der Kommunikation freundlich, sachlich und konstruktiv.

    Ich habe eine Überlastungsanzeige aufgegeben, aber nichts ändert sich. Was nun?

    Mit deiner Überlastungsanzeige hast du zunächst das getan, was du in der Situation tun konntest. Jetzt ist dein Arbeitgeber am Zug. Wenn sich die Situation nicht bessert, warte nicht, bis du psychisch oder physisch völlig am Ende bist.

    Du kannst dich an den Betriebsrat oder die Geschäftsleitung wenden. Sollten diese Schritte nicht fruchten und es weiterhin gravierende Missstände gibt, ist es auch eine Option, die Heimaufsicht zu informieren. Dies gilt insbesondere, wenn nach einer Überlastungsanzeige keine Maßnahmen ergriffen werden, um den Überlastungen entgegenzuwirken, oder wenn schwerwiegende Probleme wie Gewalt gegenüber Pflegekräften oder Pflegebedürftigen vorliegen.

    In einigen Bundesländern (NRW, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein) existieren zudem Pflegekammern, an die du dich als Pflegekraft in solchen Fällen ebenfalls wenden kannst.

    Finde einen besseren Job in der Pflege, bei einem Arbeitgeber, der dich wertschätzt: Auf Care Rockets findest du Arbeitgeber, die Pflegekräften bessere Arbeitsbedingungen bieten wollen. 

    Fazit: Überlastungsanzeige schreiben – ja oder nein?

    Eine Überlastungsanzeige ist ein wichtiges Werkzeug, um auf problematische Arbeitsbedingungen in der Pflege aufmerksam zu machen und dich selbst sowie Patientinnen und Patienten zu schützen. Du solltest keine Angst davor haben, von diesem Recht Gebrauch zu machen.

    Denke daran, dass es nicht nur um deine eigene Sicherheit geht, sondern auch um das Wohl derjenigen, die auf professionelle Pflege angewiesen sind. Die Fähigkeit, gefährliche Situationen zu erkennen und den Mut zu haben, Veränderungen zu verlangen, beweist, dass du deinen Beruf ernst nimmst und verantwortungsbewusst handelst. 

    Und wenn sich die Situation trotz einer Überlastungsanzeige nicht verbessert oder dein Arbeitgeber sogar Druck ausübt, überlege dir, den Job zu wechseln. Denn es gibt sie: Arbeitgeber in der Pflege, bei denen du die Anerkennung und Wertschätzung bekommst, die du verdienst. Auf Care Rockets bewerben sich Arbeitgeber in der Pflege bei dir.

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